Grenzen, Kriege und Kongresse: Die Aushandlung staatlicher Neuordnungen in Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert
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Projektleitung:
- Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast (Direktorin, Europa-Universität Viadrina)
- Dr. Frank Grelka, grelka@europa-uni.de
- Dr. Klaus Richter, University of Birmingham
Projektbearbeiter:innen:
- JP Dr. Tim Buchen,TU Dresden
Kooperationspartner:innen:
- Prof. Dr. Kerstin Schoor, EUV
- Dr. Mark Keck-Szajbel, EUV
- Prof. Dr. Stefanie Schueler-Springorum, Technische Universität Berlin
- Dr. Robert Brier, Deutsches Historisches Institut Warschau
- Prof. Alexander Maxwell, Victoria University of Wellington
Drittmittelgeber:
Europa-Universität Viadrina
Projektlaufzeit:
Oktober 2013 – Oktober 2016
Publikationen:
Frank Grelka: Nationaljüdische Akteure in Polen und Litauen nach dem Großen Krieg, in: Matthias Weber et al. (Hg.): Nach dem Großen Krieg: 1918-1923, München: De Gruyter 2017, S. 65-86.
Tim Buchen/ Frank Grelka (Hg.): Akteure der Neuordnung: Ostmitteleuropa und das Erbe der Imperien, 1917 - 1924 (Interdisciplinary Polish Studies, Band 4), Berlin: epubli GmbH 2016. Open access: https://opus4.kobv.de/opus4-euv/frontdoor/index/index/docId/239.
Klaus Richter: Displacement without Moving. Secession, Border Changes and Practices of Population Politics in Lithuania, 1916-1923, in: Tomas Balkelis/ Violeta DavoliŪte (Eds.): Population Displacement in Lithuania in the Twentieth Century, Leiden/ Borsten: Brill/ Rodpi 2016, pp. 62-88
Projektbeschreibung
Ein Europa der Nationalstaaten war in Ostmitteleuropa 1918 ohne jegliche Präzedenz und keineswegs alternativlos. Ob und welche Nationalstaaten nach dem Zusammenbruch der Großreiche in welcher Gestalt bestehen würden, war ein Spiel mit offenem Ausgang. Denn was in den Jahren 1944-1949 und 1989/91 in Europa selbstverständlich wurde, nämlich die nationale Organisation von Staaten, deren Bevölkerungen zum überwiegenden Teil der Titularnation angehörten, konnten die Zeitgenossen am Ende des Ersten Weltkriegs nicht vorausahnen. Während sich die Historiographie Ostmitteleuropas intensiv mit dem Ringen nationaler Bewegungen gegen imperiale Staaten vor 1918 befasst haben, sind ihre Auseinandersetzungen untereinander nach dem Weltkrieg ebenso wenig transnational untersucht worden wie das Ringen imperialer Akteure gegen die neuen Nationalstaaten. Wie beteiligten sich nichtstaatliche Vertreter an der Aushandlung und Etablierung einer neuen Ordnung? Welche Vorstellungen vertraten sie und wie veränderten sich diese Vorgaben im Prozess der Etablierung?
Das Forschungsprojekt untersuchte diese Leitfragen am Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien (ZIP) in drei miteinander verschränkten Teilprojekten. Analysiert wurde das Zusammenspiel der „weißen Internationale" (Tim Buchen) mit militärischen und politischen Unternehmern, die für die neuen Nationalstaaten in Ostmitteleuropa agierten (Klaus Richter, externer nicht aus Projektmitteln finanzierter Mitarbeiter an der University of Birmingham), sowie mit jüdischen nationalen Akteuren aus dem Russischen Reich, die sich am Aufbau von Staatlichkeit in Polen und der Ukraine beteiligten (Frank Grelka). Die Betrachtung der Ereignisse aus drei Perspektiven und ihre Konzeptualisierung als ein ergebnisoffener Prozess ermöglichte eine Neubestimmung von Kriegs-, Nachkriegs- und Zwischenkriegszeit sowie eine praxeologische Dekonstruktion wirkmächtiger Konzepte wie „Mittel-, Zwischen- und Zentraleuropa". Dabei stand die Leitfrage nach dem Verhältnis von internationaler Diplomatie, Herrschaftspraxis und Raumvorstellungen bei der Ziehung, Verschiebung und Legitimation von Staatsgrenzen in Ostmitteleuropa im Zentrum der Projektarbeit. Aus der Betrachtung dieser Auseinandersetzung um Räume, Grenzen und ihre internationale Anerkennung wurden weitergehende Erkenntnisse über Nationalismus, Imperialismus und Staatswerdung sowie über Zusammenhänge, Verflechtungen und Übergänge zwischen Ost- und Westeuropa gewonnen.
Im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojekts veranstalteten die beiden Projektmitarbeiter in Kooperation mit dem Kompetenznetzwerk „Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa“ und PD Dr. Kai Struve (Universität Halle-Wittenberg) im Oktober 2015 eine internationale wissenschaftliche Konferenz unter dem Titel „Vergangene Räume – Neue Ordnungen. Das Erbe der multinationalen Reiche und die Staatsbildung im östlichen Europa 1917-1923“. Die Ergebnisse dieser Konferenz gingen in einen von Tim Buchen und Frank Grelka herausgegebenen Sammelband ein, der unter dem Titel „Akteure der Neuordnung. Ostmitteleuropa und das Erbe der Imperien 1917-1924“ als Band 4 der Schriftenreihe „Interdisciplinary Studies“ des Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien erschienen ist. Der Tagungsband zeigt an sieben Fallbeispielen, wie lokale Akteure auf rechtliche, politische und militärische Neuordnungen zwischen Ostsee und adriatischem Küstenland Einfluss nahmen. Neue Forschungsansätze junger Nachwuchswissenschaftler beleuchten in diesem dreisprachigen (Deutsch/Polnisch/Englisch) Band die Auswirkungen ostmitteleuropäischer Erfahrungen auf die internationale Geschichte der Nachkriegsjahre abseits der Versailler Diplomatie.